Hilfe, meine Eltern sind pflegebedürftig! Muss ich dafür einstehen?!

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwältin Saskia Hennig zum neuen Angehörigen-Entlastungsgesetz:

Irgendwann kommt bei den meisten älteren Menschen der Zeitpunkt, an dem sie auf die Hilfe Dritter angewiesen sind und ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen können.
Dann ist der nächste Schritt die mobile Pflege oder die Unterkunft in einer Pflegereinrichtung. Doch Pflege im Alter ist teuer. Wer muss dafür aufkommen, wenn das eigene Vermögen die Kosten nicht deckt? Hier heißt es: Kinder haften für ihre Eltern. Doch ist das auch noch heute so? Muss ich vielleicht mein Haus verkaufen, um die Kosten aufbringen zu können? Inwieweit darf sich der Staat in die Pflege einmischen?

Fragen über Fragen

Fragen über Fragen, die ich gerne in meinem Artikel beantworten möchte.
Denn seit 01.01.2020 gibt es ein neues Gesetz (das Angehörigen-Entlastungsgesetz) wonach die Kinder für Ihre Eltern nur noch dann Unterhalt zahlen müssen, wenn sie ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000,00 Euro haben.
Oft wird der Unterhalt freiwillig übernommen von den Kindern oder die Eltern haben für das Alter mit einer Pflegeversicherung vorgesorgt.
Doch was ist, wenn die Kinder sich die Pflege einfach nicht leisten können? Dann muss das Sozialamt tätig werden. Dieses prüft die Einkommensverhältnisse der Kinder und muss im Zweifel, bei nichtüberschreiten der Vermögensgrenze von 100.000 Euro selbst eintreten und die Pflegekosten als Sozialstaat übernehmen.
Zu beachten ist, dass diese Entlastung sowohl für Kinder gegenüber ihren pflegebedürftigen Eltern, als auch für Eltern gegenüber ihren pflegebedürftigen Kindern gilt, wobei davon minderjährige Kinder ausgeschlossen sind. Denn diese erhalten Leistungen nach dem SGB XII.

Wichtig

Wichtig ist, dass das Sozialamt nur Kinder für ihre Eltern heranziehen kann. Geschwister untereinander, Cousins, Enkelkinder, Tanten und Onkels können nicht für Unterhaltszahlungen herangezogen werden. Auch Schwiegerkinder sind aufgrund des fehlenden Verwandtschaftsverhältnisses nicht zum Unterhalt verpflichtet.
Ausgenommen von dieser Entlastungsgrenze sind Ehegatten untereinander, soweit einer der Pflegebedürftigkeit unterliegt. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass eine Ehe eine besondere Einstandspflicht begründet, so dass Ehegatten für die Pflege ihres Partners neben ihrem Einkommen auch andere Vermögenswerte einsetzen muss. Jedoch verbleibt nach § 90 SGB XII ein sogenannter Schonbetrag in Höhe von 5.000 Euro. Der gleiche Betrag gilt für den Ehepartner, so dass insgesamt ein Vermögen von 10.000 Euro anrechnungsfrei verbleibt.
Überdies bezahlt das Sozialamt dem im Heim lebenden Partner ein Taschengeld, welches für das Jahr 2020 bei 114,48 Euro pro Monat liegt.

Auch wichtig ist, dass es eine Ausnahme von der Unterhaltspflicht gibt:
Haben sich die Eltern sogenannter erheblicher Verfehlungen gegen das Kind schuldig gemacht, haben sie einen geringen bis gar keinen Unterhaltsanspruch. Darunter fallen Fälle des Missbrauchs und grober Vernachlässigung. Ein abgebrochener Kontakt reicht meistens nicht aus.
Die Berechnungsgrundlage beruht auf den Vorschriften des Zivilrechts, wobei die Höhe des Unterhalts – sollte die Grenze von 100.000 Euro überschritten werden – nach entsprechenden Leitlinien errechnet wird, z. Bsp. nach der Düsseldorfer Tabelle.
Dabei wird die Unterhaltspflicht vom Sozialamt nur überprüft, wenn ein entsprechender Verdacht oder Hinweis vorliegt. Kommt es zu einer Prüfung durch das Sozialamt, sind Sie verpflichtet, alle Ihre Einkünfte offen zu legen.

Was zählt zu Ihren Einkünften?

Zu diesen Einkünften zählen nicht nur die Arbeitsentgelte, sondern auch sonstige Einkünfte, z. Bsp. aus Vermietung und Verpachtung. Alle Einkünfte werden zusammengezogen, wobei vorhandenes Vermögen nicht berücksichtigt wird. Selbstständig Tätige können Werbungskosten nach § 2 Abs. 2 EStG abziehen. Anderenfalls werden Abzüge nicht mit einbezogen.
Dabei sind sowohl die Kinder, als auch die Eltern und Ehepartner auskunftspflichtig über ihre finanziellen Verhältnisse.
Bei Geschwistern wird der Jahresbruttobetrag anteilig berechnet entsprechend der finanziellen Möglichkeiten des einzelnen Kindes. Dies kann dazu führen, dass nur ein Kind – was die Grenze von 100.00 Euro sprengt – unterhaltspflichtig gegenüber den Eltern ist.
Zu beachten ist, dass Eltern nicht auf die Zahlungen ihrer Kinder verzichten können, soweit die Voraussetzungen vorliegen. Ein Wahlrecht gibt es nämlich nicht, auch wenn viele Eltern ihre Kinder nicht finanziell belasten wollen.

Ich hoffe, ich konnte ein paar Ihrer Fragen klären und wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute.

Rechtsanwältin Saskia Hennig

Rechtsanwältin Saskia Hennig

Unsere Gastauthorin ist Rechtsanwältin Saskia Hennig.
Zu finden ist Sie unter ra-saskia-hennig.de